Samstag, 5. November 2011

Bewusst Kraft und Energie drosseln - die Kastration


Bei meinem Aufenthalt in Deutschland legte ich mir eine Ausgabe des PFERDEMARKTES zu - nicht, weil ich nach einem Pferd suche, sondern um viele verschiedene Pferde im Vergleich anschauen zu können (wärend der langen Rückfahrt) und Up to date zu werden, was das aktuelle Pferdeangebot in Deutschland beinhaltet.

Folgende Statistik erstellte ich dabei für diesen Blog:

von den knapp unter 700 Pferdeangeboten waren 77% erwachsene Pferde und 23% Fohlen (unter 24 Monaten).
Bei den Jungtieren gab es etwas mehr Hengstfohlen (57%) als Stutfohlen (43%).

Und bei den erwachsenen Pferden? Auch hier gab es einen leichten Überschuss an männlichen Pferden von etwa 15% gegenüber den Stuten die zu Verkauf standen - logisch. Einziger Unterschied: über 2 Drittel aller männlichen Pferde sind kastriert!
Nun, das ist ja eher ein Richtwert für den aktuellen akzeptierten Standard und verwundert sicher niemanden, aber als ich so meine Statistik machte, fragte ich mich immer wieder, was es eigentlich war, weshalb manche männlichen Fohlen Hengst bleiben durften und das Tier gleich in der Anzeige daneben nicht.

Ja, ja, naiv bin ich nicht - ich kenne alle Argumente, warum Tiere angeblich kastriert werden "müssen" und verstehe auch, dass Züchter bestimmt schneller einen Wallach an Person XY verkauft bekommen, als einen Hengst. Trotzdem bleibt bei mir die Frage trocken im Hals hängen, warum um alles in der Welt man die Pferde nicht so lassen konnte, wie sie eben sind - auch wenn man nicht mit ihnen züchten will?

Während meinem Praktikum auf dem Hof von Sabine Birmann durfte ich dieses Mal einem königlichen Friesenhengst begegnen. Ein bombastisches Pferd in einer fremden Umgebung mit Stuten usw. Um keinen Preis der Welt hätte ich diesem Pferd irgendetwas von seinem Stolz, seinem Ausdruck und seiner Energie nehmen wollen - auch wenn es genauso beeindruckend war, zu sehen, wie viel sich sein Besitzer in jeder Sekunde verdienen muss. Genauso verhielt es sich mit dem sterilisierten (ja, das ist ein großer Unterschied zum kastrierten) Trakehnerhengst Jasmir, welcher zusammen mit seinen 2 Stuten leben darf.

Ich hatte inzwischen 5 eigene Hengste. Vertigo, der jetzt 2 1/2jährige Kaltbluthengst ist natürlich nocheinmal eine weitere Herausforderung und ich gehe auch nicht so weit, als dass ich mich als "Hengstspezialistin" bezeichnen würde, aber genau deshalb frage ich mich, warum ich trotzdem nie und im Traum nicht auf die Idee kam und gekommen wäre, einen meiner Hengste zu kastrieren. 

Nämlich obwohl ich Fehler mache, mich nicht auskenne, bereits zwischen zwei ernsthaft kämpfenden Hengsten stand, aus Unwissenheit gebissen wurde und mit Bangen versucht habe, anderen Pferden (und z.T. auch pferdeähnlichen Geschöpfen ;-) tunlichst aus dem Weg zu gehen, war der Gedanke, dem abzuhelfen, indem ich den Hormonhaushalt durch Amputation drossle, einfach nicht existent.

Erst jetzt, wo ich mehr und mehr Pferdeleute kenne und meine Pferde selbst einmal eingestellt hatte, kann ich den Druck, den die aktuell übliche Pferdehaltung schnell auf Hengsthalter ausübt, langsam nachvollziehen. Das hatte aber auch nicht zur Folge, dass ich Vertigo kastrieren ließ - auch wenn er jetzt so langsam anfängt zu testen, sehe ich immer noch nichts, was wirklich ein gerechtfertigter Grund dazu wäre.

Wollen wir es uns nur bequem machen und den Sexualtrieb ausschalten, damit auch jeder Ottonormalverbraucher sich auf ein Pferd setzen kann? Über 200 Wallache zählte ich in der Ausgabe des PFERDEMARKT - über 200x war der Tierarzt da und die Leute haben viel Geld für diesen ja ach so harmlosen Eingriff ausgegeben.

Warum, frage ich dann, ist auf dem Cover dann wieder ein wundervoller Araberhengst voller Energie zu sehen - bestimmt wieder ein Foto, das teuer bei einem Profifotografen eingekauft wurde, welcher von Gestüt zu Gestüt reist um solche Pferde zu fotografieren. Wir meinen doch im Ernst, wir können uns einen Teil dieser faszinierenden Energie kaufen aber das, was uns stört "wegschneiden" und uns dann als tolle Pferdeleute hinstellen ... ?

Ich habe nichts gegen Wallache - besitze ja selbst einen - und finde auch nicht Menschen kategorisch schlecht, welche mal ein Pferd kastrieren, aber dass die Hemmschwelle so klein gegenüber so einem Eingriff ist, finde ich erschreckend!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich selber bin HengstHalterin, ganz böse, denn: Er ist aktuell lieb, noch jung und warum um Gottes Willen solle ich ihm so eine OP zumuten? Kein Mensch weiss, was im Pferd vor geht, Menschen werden doch auch nicht einfach kastriert, weil ein Mann ständig fremd geht oder aggressiv ist? Ich habe mich entschieden, ihn sterilisieren zu lassen und ihm soweit das geht, ein natürliches Umfeld zu geben: Mit ein oder zwei Stuten. Und ich bin froh, diesen Blog hier gefunden zu haben, man fühlt sich oft total allein mit einem Hengst und wird von allen Seiten skeptisch beäugt oder niedergemacht. Schade eigentlich, denn den TA rufen kann jeder, sich Gedanken über sein Tier zu machen scheint nicht so populär zu sein.