Samstag, 30. Januar 2016

Von starken Pferdepersönlichkeiten lernen dürfen ...


Zur Zeit bin ich ganz klar "in Ausbildung" bei meinen Pferden. Ich nehme mehr wahr und erkenne Dinge, die ich jahrelang übersah - das kann manchmal sogar richtig schmerzhaft sein - und weil ich das tue, wird die Beziehung zu meinen Pferden immer direkter und ich bekomme ganz klare Reflektionen auf mein Verhalten.

Ganz besonders "in die Mangel" nehmen mich derzeit mein Shettyhengst Titi (er wird dieses Jahr 18 Jahre) und der Eselhengst Fanou (er ist zirka 22 Jahre alt - wir kennen sein genaues Geburtsjahr nicht) - lange Zeit waren sie "gnädig" zu mir, vergaben mir meine Unachtsamkeit mit einem Lächeln, aber da ich mit der Zeit mehr und mehr das wahrnehmen kann, was sie mir mitteilen, trauen sie sich auch immer mehr, mir ehrlich gegenüber zu reagieren - das empfinde ich als große Ehre!

Spaziergang mit Shetty Titi und Esel Fanou - Oktober 2015
Ja, manches läuft deswegen nichtmehr so rund wie früher - vieles von dem, was ich als selbstverständlich empfand, dass sie sich alles gefallen ließen und niemals wirklich murrten, wird heute mit einer klaren Ansage quittiert: drängeln beim Führen, durch den Zaun schlüpfen während ich zumache, Schrägstellen, Ohren anlegen beim Führen, Halftertest - nein, ich kriege keinen Bonus mehr!! Jetzt muss ich immer zu hundertprozent da sein, wahrnehmen, fühlen und erkennen (ohne dabei dominant sein zu wollen versteht sich, weil dann blocken sie komplett).

Das bringt mich an manchem Tag ziemlich auf die Palme (was dann dazu führt, dass Herr Esel gar nicht mehr mit mir mitgeht und ich gezwungen bin ihn angebunden "zwischenzuparken", erst das Pony aufzuräumen, tief durchzuatmen und dann wieder ganz neutral zu ihm zu gehen) aber beschert mir immer mehr unerwartete Geschenke: ihr offenes und ehrliches Herz.

Sie zeigen mir, wann ich ungerecht bin, wann unordentlich, wann unklar und wann ich sie zu sehr "meine" anstatt einfach etwas für mich zu tun, z.B. meinen eigenen Weg zu gehen. Sie sagen mir, was sie wirklich mögen und was sie blöd finden, auch wenn ich mir sehr viel Mühe gegeben habe.

Ich habe lange geglaubt, dass eine Weiterentwicklung vor allem bessere Bodenarbeit, Reiten usw. impliziert - natürlich auch die Bindung, aber das was ich heute von meinen Pferden bekomme ist noch so viel mehr. Es ist eine Offenheit und Ehrlichkeit - eine klare Reflektion.

Titi ist ein nobles, aber auch energievolles Pferd. Er möchte draussen etwas sehen, jemand großes sein dürfen, Abenteuer erleben - Fanou, der Esel, hat die Besonderheit, ein echtes Königs"pferd" zu sein - ein echtes Leittier, unglaublich klug und weise. Von ihm ernst genommen zu werden ist für mich eine große Ehre, denn bedeutet es nicht, wenn mein Pferd mein Verhalten spiegelt und darauf reagiert, dass ich dann in seinen Augen ein mehr oder weniger würdiger Sozialpartner bin?

Weil es scheint dass ich mich weiterentwickelt habe, werde ich auch in ihren Augen wahrgenommen und ich kann mehr und mehr die Persönlichkeit der beiden erkennen, die mich schon seit 13 Jahren begleiten und sehr viele wichtige Phasen in meinem Leben mitgemacht haben. Jetzt beginne ich langsam einen Weg zu finden, wie ich auch mal Danke sagen kann und ich verstehe, dass ich viele Dinge für selbstverständlich hielt, aber dass es Geschenke sind und waren.

Ein Pferd muss nicht in unserer Nähe bleiben - es muss sich nicht führen, geschweige denn reiten lassen! Warum die Pferde uns so viel von sich schenken ohne jemals dafür gewürdigt zu werden wird man vielleicht nie erfahren - ich jedenfalls schätze sie jeden Tag mehr als meine Lehrer.

Mal etwas Neues ausprobieren: Titi darf am langen Zügel vorausgehen und Fanou geht hinten am Halsring (wer sieht die "treibenden" Ohren?) - Dezember 2015
All dies sollte mal wieder hier auf diesem Blog gewürdigt werden. Dass ich überhaupt diese feine Kommunikation erlernen durfte in meinem Leben, das freut mich ungemein und ich kann meiner Lehrerin, Chefin und Freundin Sabine Birmann dafür nie genug danken.

Danke für's Lesen!

Eure
Jaana